Die buddhistische Psychologie identifiziert vier Formen von Bewusstsein: Das Geistbewusstsein, das Sinnesbewusstsein, das Speicherbewusstsein sowie das sogenannte Manas-Bewusstsein. Das Sinnesbewusstsein wird darüber hinaus in fünf Sinnesarten unterteilt, das Seh-, das Hör-, das Tast-, das Riech- und das Schmeck- Bewusstsein. Diese fünf Sinne werden beim ersten Termin des 8 Wochen MBSR-Kurses in der Rosinenübung angesprochen.
Die erste Form von Bewusstsein ist das Geistbewusstsein. Das Geistbewusstsein denkt, plant, urteilt, es sorgt sich aber auch oder erklärt sich Situationen. Geistbewusstsein ist aber ebenso Körperbewusstsein, denn ein Bewusstsein des Geistes ist ohne den Körper nicht möglich. Körper und Geist sind dasselbe, nur aus einer anderen Perspektive betrachtet. Denn ohne Bewusstsein ist unser Körper leblos. Ebenso kann sich Bewusstsein ohne unseren Körper nicht ausbilden. Das Gehirn, als Teil des Körpers, macht dabei nur zwei Prozent des Körpergewichts aus, während es 20 Prozent der Energie verbraucht. Die Prozesse des Geistbewusstseins verbrauchen somit sehr viel Energie. Achtsamkeit erlaubt es uns ökonomischer mit unserem Geistbewusstsein umzugehen und uns weniger anzustrengen. Sie ermöglicht uns im gegenwärtigen Augenblick zu verweilen, indem wir die Sorgen an die Vergangenheit und Pläne für die Zukunft loslassen können.
Die zweite Form von Bewusstsein ist das Sinnesbewusstsein. Durch das Sinnesbewusstsein gelangen wir durch unsere fünf Sinne mit allen Objekten der Wahrnehmung in Kontakt. Wir sehen Dinge, hören Geräusche, fühlen Oberflächen, riechen Gerüche und schmecken Speisen. Das Sinnesbewusstsein kommt zustande indem ein Sinnesorgan (das Auge, die Ohren, der Körper, die Nase oder die Zunge) ein Sinnesobjekt (z.B. eine Landschaft, die wir betrachten) wahrnimmt und eine Sinneserfahrung macht (die Erfahrung des Sehens, Hörens, Tastens, Riechens oder Schmeckens).
Die nächste Form des Bewusstseins ist das Speicherbewusstsein. Das Speicherbewusstsein ist die grundlegendste Form des Bewusstseins und kann ungefähr mit dem Unbewussten in der westlichen Psychologie verglichen werden. Es beinhalte drei Funktionen:
Die erste Funktion ist die eines Speichers, in dem alle Informationen und Erfahrungen aufgenommen werden. Sämtliche Objekte, die wir sehen, hören und erfahren, alle Erfahrungen aus der Vergangenheit, die wir gemacht haben - gute oder schlechte - werden als Samen tief im Speicherbewusstsein angelegt.
Diese Informationen und Erfahrungen gelangen nicht nur ins Speicherbewusstsein, sondern sie werden dort auch, als nächste Funktion, weiter aufbewahrt. Haben wir zum Beispiel einen schönen Film gesehen, so sind die Bilder und Töne an unsere Augen und Ohren gelangt. Sie haben ein geistiges Gebilde hervorgerufen, eine Berührung, welche das Speicherbewusstsein in Form eines Samens zum Schwingen gebracht hat. Dieser Samen wird im Speicherbewusstsein aufbewahrt und verarbeitet. Diese Verarbeitung findet aber, im Gegensatz zum Geistbewusstsein, unter einem sehr geringen Energieaufwand statt. Das Speicherbewusstsein arbeitet dabei unabhängig vom Geistbewusstsein und schränkt somit dessen vermeintlich freies Denken ein. Es kann viele Dinge planen und entscheiden, ohne, dass wir etwas davon mitbekommen. So können unsere Vorlieben und Abneigungen, unser Mögen und Nichtmögen von Personen oder unser Sinn für Ästhetik unter Umständen schon längst auf der Ebene des Speicherbewusstseins entschieden worden sein, lange bevor wir uns einer vermeintlich objektiven Entscheidung bewusst sind. Das Speicherbewusstsein entscheidet viele Dinge vorab, denn unablässig empfängt und verarbeitet es Informationen und trifft autonome Entscheidungen ohne das Zutun des Geistbewusstseins.
Die dritte Funktion ist seine fließende und sich stets verändernde Natur. Wir können uns das Speicherbewusstsein wie einen Garten vorstellen, in dessen Boden wir die Samen für Blumen oder Gemüse geben, aus denen dann Sonnenblumen oder Tomatenstauden wachsen. Das Geistbewusstsein hat dabei die Rolle einer Gärtnerin, die den Boden bearbeitet. Sie kann aber nur an den Boden glauben, dass dieser auch die Blumen und das Gemüse hervorbringt. Ebenso sollten wir auf das Speicherbewusstsein vertrauen, dass dort heilsame Entscheidungen getroffen werden. Wir bezeichnen dies manchmal als das Bauchgefühl. Die fließende Natur des Speicherbewusstseins bedeutet aber auch, dass die abgelegten Samen im Speicherbewusstsein organischer Natur sind. Sie können verändert werden. So kann der Samen des Hasses umgewandelt werden in die Energie des Mitgefühls. Der Samen der Freundlichkeit kann gewässert und gestärkt werden. Dies üben wir im MBSR-Kurs unter Anderem in Form der „Metta-Meditation“.
Die vierte Form des Bewusstseins ist Manas. Dies ist ein Element im Speicherbewusstsein, das an Dingen, Meinungen oder Einstellungen anhaftet und sich diese aneignen will. Manas glaubt - im Gegensatz zur Auffassung im Buddhismus - an ein eigenständiges Selbst, an ein von anderen Lebewesen losgelöstes „Ich“, das von den Nicht-Selbst-Elementen aus denen jedes Wesen besteht, unabhängig ist. Manas möchte dieses eigenständige „Ich“ im Speicherbewusstsein halten und bewahren. Durch die Praxis der Achtsamkeit lernen wir einen anderen Umgang mit Manas zu finden und mit der Zeit das eigene Ego ein wenig zurückzunehmen, ohne uns als eigene Person aufzugeben.